Studienpionier*in sein: Herausforderungen und Chancen

Unsicherheiten zu Beginn oder während des Studiums sind allen „Erstis“ (Studierenden im ersten Semester) bekannt. Viele wenden sich in dieser Phase an ihre Eltern oder andere Familienmitglieder, um Rat und Unterstützung zu erhalten. Was aber, wenn Du der/die Erste in Deiner Familie bist, der/die studiert, und Du niemanden hast, der/die bereits Erfahrungen an der Universität gesammelt hat? In diesem Fall gehörst Du zu den Studienpionier*innen – zu denen, der/die als Erste in der Familie den Weg in die akademische Welt beschreiten.

Die Situation von Studienpionier*innen in Deutschland

Obwohl die Zahl der Studierenden in Deutschland kontinuierlich steigt, sind Studierende aus nicht-akademischen Elternhäusern an den Hochschulen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Immer noch spielt die familiäre Herkunft eine entscheidende Rolle für den Bildungsweg. Laut dem Vernetzungsportal ArbeiterKind.de leben nur rund 22 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in einem Haushalt mit mindestens einem akademisch gebildeten Elternteil. Das bedeutet, dass etwa vier von fünf Kindern in einem nichtakademischen Elternhaus aufwachsen.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 zeigt, dass nur etwa halb so viele Kinder aus Haushalten ohne akademischen Hintergrund eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben wie ihre Altersgenossen aus Akademiker*innenhaushalten. Diese Diskrepanz wird im Verlauf des Studiums noch deutlicher: Während von 100 Akademiker*innenkindern durchschnittlich zehn promovieren, ist es bei Kindern aus nicht-akademischen Haushalten nur eines. Die Einführung des Bachelor- und Mastersystems hat diese Ungleichheit nicht verringert. Im Gegenteil: Das Masterstudium stellt eine neue Hürde dar, die die soziale Ungleichheit weiter verschärft (Lange-Vester & Sander, 2016).

Die Herausforderungen und Chancen für Studienpionier*innen

Als Studienpionier*in stehst Du vor spezifischen Herausforderungen, die Deine Kommiliton*innen mit akademischem Hintergrund vielleicht gar nicht kennen. Fehlende Erfahrungen im familiären Umfeld und oftmals eingeschränkte Kenntnisse der akademischen Strukturen (wir nennen es auch „Unikosmos“ oder „Unidschungel“) können Dich und Dein Vertrauen in ein eigenes erfolgreiches Studium belasten. Sei Dir aber sicher: Du bringst mit Deinem sozialen Hintergrund auch einzigartige Fähigkeiten und Perspektiven mit, die Dir im Studium helfen werden.

Es ist wichtig, dass Du erkennst, dass Du Dein Studium mit unterschiedlichen Voraussetzungen beginnst. Diese Unterschiede sind keine Schwäche, sondern geben Dir wertvolle Informationen, die Dir helfen können, Dein Studium zu bewältigen. Eine gesunde Selbstwahrnehmung („Was sind meine Srärken, wo brauche ich noch Kompetenzen…?“) kann Dir helfen, Deine Ressourcen zu erkennen, Sinn in Deinem Tun zu finden und Dich vor Überforderung und Demotivation zu schützen. Diese Selbstreflexion ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Studium. Und: es gibt Unterstützungsmöglichkeiten wie z.B. die Studien- und Prüfungsberatung der Philosophischen Fakultät, die Dich in allen Phasen Deines Studiums begleiten kann. Hier findest Du mehr Infos und Kontaktmöglichkeiten: www.phil.uni-goettingen.de/studienberatung

Literatur zum Thema Studium und soziale Herkunft: Soziale Ungleichheiten, Milieus und Habitus im Hochschulstudium

Herausgegeben von Andrea Lange-Vester / Tobias Sander – 11.07.2016

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